2025 10 18 Hb Jungs an der RealschuleNach über 300 Jahren wurden erstmals auch Buben an den Ursulinen-Schulen in Straubing aufgenommen. 46 Jungen besuchen nun Gymnasium und Realschule, was zu einem starken Anstieg der Anmeldezahlen führte. Besonders an der Realschule mussten wegen des großen Andrangs sechs Eingangsklassen gebildet werden. Neue Angebote wie Technik, Drohnenflug und Sport sollen die Buben ansprechen. Die Schulstiftung sieht darin eine erfolgreiche und gesellschaftlich richtige Entscheidung.
Das Straubinger Tagblatt berichtete über diesen Zeitenwechsel.

Anna Rieser schreibt:
„Einen Nerv getroffen“

Die ersten Unterrichtswochen sind vorbei: An der Realschule der Ursulinen ist nach der Aufregung um die Öffnung für Buben der Alltag eingekehrt.

Das Schulfest? „Sauschee.“ Der Tag der offenen Tür? „Hat mir gut gefallen.“ Und als Bub an einer bislang reinen Mädchenschule? „Kein Problem, ich bin schon mit vielen Mädchen in die Schule gegangen.“ Die vier jungen Burschen, die an einem Dienstag Ende September im Besprechungszimmer des altehrwürdigen Ursulinengebäudes am Stadtgraben sitzen, sind um keine Antwort verlegen und fühlen sich offensichtlich ziemlich wohl in ihrer Rolle als Pioniere. Das sei tatsächlich ziemlich cool, befindet einer: Obwohl sie erst angefangen haben, seien sie die größten Jungs an den Schulen. Und sie sind die ersten.

Gute zwei Wochen nach der Einschulung sind die Fünftklässler angekommen bei den Ursulinen: Milan aus Aufhausen und Manuel aus Hunderdorf am Gymnasium, sie sind hier Freunde geworden; und Michael und Sebastian aus Frauenzell in der Gemeinde Brennberg an der Realschule, sie waren schon Freunde an der Grundschule und haben den Schritt nach Straubing gemeinsam getan.

Alle vier nehmen einiges auf sich, damit sie hier zur Schule gehen können. Milan steigt in Sünching in den Zug, Manuel braucht eine Dreiviertelstunde mit dem Bus, und die beiden Frauenzeller sogar eine ganze Stunde. Deshalb müssen sie morgens früh raus: Bei zweien klingelt der Wecker um 6 Uhr, bei den anderen beiden sogar schon um 5.30 Uhr. Wer zu den Ursulinen will, hat nicht selten einen langen Schulweg.

46 Jungs in den Anfangsklassen

Und ja, es ist ein bisschen ungerecht, kaum sind sie da, auf die Buben zu schauen. Denn noch sind die Mädchen in der deutlichen Überzahl, und das werden sie auch noch lange bleiben: Unter den knapp 400 Schülerinnen und Schülern am Gymnasium und den gut 600 an der Realschule sind jetzt insgesamt 46 Jungs. Dennoch sind diese jungen Burschen nun so etwas wie die lebendigen Beweise für eine historische Zäsur.

Die Ursulinen haben nach über 300 Jahren reiner Mädchenbildung in diesem Schuljahr auch Buben aufgenommen. Und es scheint, als hätte die Elternschaft darauf gewartet. Insbesondere der Zulauf an die Realschule übertraf alle Erwartungen. Insgesamt 149 Fünftklässler haben hier heuer angefangen, darunter 38 Burschen. Damit sind die Anmeldezahlen sprunghaft nach oben geschnellt, das Jahr davor lagen sie noch bei 80.

Es wird eng an der Realschule

Gut 50 Prozent der Anfänger seien von den Übertrittsnoten her für das Gymnasium geeignet gewesen, sagt Realschulleiter Ludwig Erl. Deren Eltern hätten sich bisher mangels gemischter Klassen an Realschulen für eines der drei staatlichen Gymnasien in Straubing entschieden, so seine Erfahrung. Nun hatten sie erstmals die Möglichkeit, sich für eine gemischte Realschule zu entscheiden – und taten das offensichtlich fleißig.

Die Realschule kämpft nun mit einem Luxusproblem: Heuer mussten sechs Anfangsklassen eingerichtet werden, so viele wie noch nie. Eine Ausnahme, wie ihr Leiter Erl sagt, denn die Schule ist nicht auf Dauer auf so einen Zuwachs eingerichtet. In Zukunft sollen es vier Klassen sein, vielleicht auch mal fünf – sonst werden die Räume knapp.

Platzprobleme gibt es am Gymnasium noch nicht, sagt dessen Leiter Thomas Saller, aber auch hier ist die Zahl der Fünftklässler gestiegen. 2024 hatten 39 angefangen, heuer waren es 48, unter ihnen acht Jungs.

Entgegen anderslautender Gerüchte, gab es bislang keine Abgänge an den beiden Schulen und auch keine Wechsel innerhalb der Klassen. Es sei alles so wie am ersten Schultag, sagt Ernst, mit einer Ausnahme: An der Realschule kamen seit Schulbeginn zwei weitere Fünftklässler dazu.

Das Angebot der Ursulinen, das über das Schulische hinausgehe, treffe offenbar einen Nerv in der Gesellschaft, freut sich Wolfgang Ernst, der Geschäftsführer der Ursulinen-Schulstiftung, über die Bestätigung für den neuen Weg. Als Beispiele nennt er Wertekonzept und kirchliche Trägerschaft. Das sei den Eltern auch das Schulgeld von 40 Euro im Monat wert.

Zeitenwende bei den Ursulinen

Zudem habe man im neuen Schuljahr einige Zusatzangebote für die neuen Buben in den Unterricht integriert, von denen man annimmt, dass sie deren Geschmack treffen. Am Gymnasium gibt es nun Völkerball, Drohnenflug und 3D-Druck als Wahlunterricht, und die Realschule bietet Sport und Technik als neue Profilfächer an.

Bei der Ursulinen-Schulfamilie ist die Freude nach dem Schulstart groß – aber auch die Erleichterung darüber, dass die Entscheidung für die Öffnung richtig gewesen ist. Denn ein Selbstläufer war sie nicht. Getroffen wurde sie nach intensiven internen Diskussionen erst vergangenes Jahr.

Den Anstoß dazu gaben der langjährige Öffnungswunsch der benachbarten staatlichen Jakob-Sandtner-Realschule, bisher eine reine Buben-Schule. Die Stadt signalisierte Zustimmung, aber nur unter der Bedingung, dass die indirekt davon betroffenen Ursulinen nichts dagegen hätten. Diese gaben dann tatsächlich grünes Licht für die Sandtner-Realschule, verkündeten aber zugleich ihre eigene Zeitenwende und damit die Abkehr von der traditionellen Monoedukation.

Jeweils eine reine Mädchenklasse

Oder doch nicht ganz: Denn noch gibt es an beiden Schulen neben den gemischten Klassen jeweils auch eine reine Mädchenklasse. Damit hätten alle Schülerinnen, die eine Monoedukation wünschten, untergebracht werden können, sagt Geschäftsführer Ernst. Solange die Nachfrage da sei, werde das zweigleisige System weiter beibehalten. Nun komme es darauf an, den neuen Schwung mitzunehmen und sich zu etablieren, sagt Ernst und bemüht einen Vergleich aus dem Sport: Nach dem Aufstieg in eine höhere Liga gehe es um den Liga-Erhalt – und der sei ungleich schwerer.

Gut zwei Wochen nach dem durchaus spannenden Schulanfang ist der Alltag an Gymnasium und Realschule eingekehrt, und zwar schneller und nahtloser als gedacht, sagt Realschulleiter Erl. Und auch Gymnasiumsleiter Saller spricht von einem unspektakulären Übergang. Nur bei der Begrüßung der neuen Schüler musste er sich genauso wie sein Kollege Erl etwas umstellen: Statt „liebe Schülerinnen“ heißt es nun „liebe Schülerinnen und Schüler“.

Text und Bild: Anna Rieser (Straubinger Tagblatt, 18.10.2025)