Wir Menschen dürfen, anders als Tiere, die nach ihrem Instinkt handeln, selbst herausfinden, wie das Leben geht und was uns im Leben glücklich macht. Aber leiten uns nicht unsere Bedürfnisse, Sehnsüchte, eigene und fremde Erwartungen auf der Suche nach dem Glück? Diese geht in der Geschichte der Menschheit weit zurück. Bereits Seneca hat davon geschrieben. Wie können wir das alles stillen? Oder müssen wir das gar nicht? Oder ist vielleicht das Tun was man mag Freiheit und das Mögen was man tut Glück? Aber was ist es genau, was uns glücklich macht? Reichtum, Macht, Einfluss? Ich habe schon viele unglückliche Menschen gesehen, die sehr erfolgreich waren und sind. Also geht es um das Stillen der Grundbedürfnisse wie Verbundenheit, innere Geborgenheit einerseits – ich möchte jetzt nicht gleich vom inneren Frieden reden - und Freiheit andererseits?
Mit was kommt ein Baby auf die Welt? Mit oder ohne Vertrauen? Was doch die Basis allen Lebens ist. Mit Instinkt oder eher mit Intuition? Müssen wir diese lernen? Und wie sieht es mit der Einzigartigkeit aus? Aufgrund meiner Kontakte zu kleinen und kleineren Kindern weiß ich, dass all das und noch viel mehr von Grund auf da ist. Vor aller Erziehung, vor aller Bildung, vor allem Wissen, vor allem Lernen, vor dem, was wir Sozialisation nennen. Kinder fließen einfach im Fluss des Lebens. Sie sind echt - ohne es zu wissen, was das bedeutet. Sie handeln nach ihrem Gefühl, ohne zu wissen, was genau dahintersteckt. Sie sind sich selbst treu und handeln nach ihrer Überzeugung, nach dem inneren Antrieb. Und sie sind glücklich, ohne gelernt zu haben, was Glück ist.
Man hat als Kind das Radfahren gelernt. Muss man es dann als Jugendlicher oder Erwachsener wieder neu lernen? Oder muss man nur die Wahrnehmung trainieren, um die Qualitäten, nennen wir es hier die Fähigkeiten, wieder besser wahrnehmen zu können, die ja schon da sind und in jedem selbst liegen?
Wir alle, egal ob Eltern, Großeltern, Lehrer, Schulleiter, Psychologen, Sozialarbeiter etc., wollen im Grunde das Beste für die uns anvertrauten Kinder. Wir wenden dafür viel Kraft auf. Wir glauben, dass unsere Erfahrung und unsere Bemühungen ihnen dabei helfen, glücklich zu werden. Die Frage ist aber, ob uns das wirklich gelingt, ob Bildung, Erziehung und Sozialisation aus den Kindern glückliche Erwachsene machen. Für Kinder ist es in erster Linie wichtig zu atmen und zu fühlen, fest mit dem Boden verwurzelt zu sein, ihn zu spüren und auch mal barfuß zu gehen und sich zu erinnern, an das, wer sie sind. Und da gibt es ganz interessante Sachen, die einem dabei helfen und womit man auch den Alltag gut meistern kann. Und wenn man merkt, dass zum Beispiel wieder die Angst kommt, etwas falsch zu machen, Angst vor Strafe oder Angst nicht richtig zu sein, kann man im Glücksunterricht erfahren, wie man damit umgeht und somit wieder Möglichkeiten sieht, in seiner Überzeugung zu leben und danach zu handeln.
Meine Vorstellung ist es: dass Kinder wieder das sehen und wahrnehmen, was sie einfach nur vergessen haben, es wieder spüren und verstehen, was für sie interessant und wichtig im Leben ist. Wie etwa Fantasie und Vorstellungskraft. Wie man durch Situationen geht mit Spaß und wie durch jene, die nicht so viel Spaß machen.
Grundsätzlich ist es so, dass die Teilnahme am Glücksunterricht nicht den Anspruch darauf erhebt, dass man immer glücklich ist. Bei uns darf aber alles genau so sein, wie es ist. Und so darf nicht nur die Einzigartigkeit jedes Einzelnen als das höchste Gut betrachtet werden, sondern dass eben auch jeder so sein darf, wie er ist, ganz ohne Bewertung.
Bei so vielen Fragen und die Rede von Glück in Verbindung mit Kindern, stellt sich doch die abschließende Frage: sind wir Erwachsene nicht genau die Kinder, die wir einmal waren?
Text und Fotos: Tom Harbort
2024-11-15 PP