2023 03 17 Karriere nach der UR 1Unter dem Titel „Jung, aufstrebend und heimatverbunden“ hat Sophie Schattenkirchner vom Straubinger Tagblatt am 08.03.2023 über zwei ehemalige Schülerinnen der Ursulinen Realschule berichtet, die – entgegen aller Vorurteile – im Bereich der MINT-Fächer eine steile Karriere eingeschlagen haben. Den Grundstock für ihren beruflichen Werdegang haben beide an der Ursulinen Realschule gelegt, die seit vielen Jahren MINT-freundliche Schule ist und ein besonderes Augenmerk auf Bildung ihrer Schülerinnen in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik legt.

Sophie Schattenkirchner schreibt:

Wissenschaftler sind verschrobene Nerds. Mädchen mögen keinen Chemieunterricht. Für eine Karriere in der Wissenschaft muss man weit weg in eine Großstadt ziehen. Alles Vorurteile, die mit der Realität nichts zu tun haben. Hier erzählen (…) Frauen von ihrer Arbeit am Institutsteil des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) an der Schulgasse.

 

 „Würde alles wieder in Kauf nehmen“

Chemikerin Dr. Melanie Iwanow über ihren Weg zum Doktortitel und ihre Arbeit als Themenfeldleiterin am Institut.

Ich hatte das Glück, dass ich immer an die richtigen Leute gekommen bin“, sagt Dr. Melanie Iwanow. An vielen Stationen ihres Lebens traf die 32-Jährige auf Menschen, die sie unterstützten und förderten. Seit 2021 arbeitet die Chemikerin als Themenfeldleiterin Biohybride Materialien am Fraunhofer-Institutsteil. Zuerst besuchte sie die Ursulinenrealschule und wechselte von dort an das Veit-Höser-Gymnasium – dafür musste sie Französisch nachlernen, mit Volkshochschulkursen und Nachhilfe. Nach dem Abitur wollte sie eigentlich Lehramt studieren. „Nur: Ich wollte nicht herumgeschoben werden, ich bin sehr regional verbunden.“ Sie stammt aus Elisabethszell, Familie und Freunde leben hier in der Region. Ein wichtiger Halt für sie. Nach einer kurzen Zwischenstation in der Biotechnologie kam sie dank kompetenter Studienberater zur Chemie an der Universität Regensburg. Bereits 2014 machte sie ein erstes Praktikum am Fraunhofer-Institut an der Schulgasse, 2015 schloss sie das Studium mit dem Master ab, 2019 wurde sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut. Ihre Doktorarbeit verfasste sie am Fraunhofer-Institut in Kooperation mit der Universität Regensburg über die Herstellung von geträgerten Metallkatalysatoren durch Entwicklung einer neuen Methode, die auf tiefeutektischen Lösungsmitteln basiert. Mit solchen Verfahren können Ressourcen gespart werden. „Ein superspannendes Thema.“ Nicht nur für Forscher, sondern auch für die Industrie. Für sie war immer klar: Ein reiner Bürojob, das geht gar nicht. Heute geht sie noch ins Labor, jedoch nicht mehr so oft wie früher. „Denn wir arbeiten projektfinanziert.“ Heißt, Melanie Iwanow überlegt sich neue Projekte, betreibt Akquise. „Da musste ich erst reinwachsen.“ Aber die Aufgaben seien abwechslungsreich. Hinzu kommen Projektmanagement und Versuchsplanung, Absprachen mit Technikern und vieles mehr. Während ihrer Promotion war sie die einzige weibliche Doktorandin. Es sei bisher ein langer Weg gewesen, sie hat viel Kraft und Zeit investiert. „Das würde ich aber alles wieder in Kauf nehmen.“ Am Fraunhofer IGB schätzt sie, dass hier jeder jeden kennt, sich die Mitarbeiter untereinander unterstützen. „Ich möchte gerne hier bleiben.“ 2022 wurde sie für das Talenta-Programm der Fraunhofer-Gesellschaft ausgewählt. Ziel des Programms ist, mehr Frauen für angewandte Forschung zu gewinnen und den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Melanie Iwanows Wunsch: Dass das Glück und die viele Unterstützung, die sie erfuhr, auch andere Wissenschaftler erleben. An Chemie fasziniert sie heute noch das, was ihr bereits in der siebten Klasse an der Realschule imponierte: „Ich mache etwas und sehe etwas. Wenn etwas nicht funktioniert, dann muss ich mir überlegen, was ich anders machen muss.“

„Neugierig sein und kreativ bleiben“

Die 20-jährige Johanna Poiger hat am Institutsteil ihre Ausbildung zur Chemielaborantin absolviert und arbeitet an Polyamiden.

Ich war immer das Kind mit den Baukästen, das Kristalle gezüchtet hat“, erzählt Johanna Poiger und lacht. Die 20-Jährige aus Obergrub bei Elisabethszell hat schon früh versucht, selbst Parfüm herzustellen, dazu hat sie im Garten Blumen gesammelt und probiert, diese mit einem Kaffeefilter zu filtrieren. Das hat nicht wirklich geklappt, erzählt sie und schmunzelt. Aber das macht nichts: „Man muss immer neugierig sein und kreativ bleiben.“ An der Ursulinen-Realschule besuchte Johanna Poiger den Sprachenzweig, Chemie kam erst ab der neunten Klasse. Einen Tag arbeitete sie am Fraunhofer-Institut Probe und war sofort begeistert. „Erst habe ich mir gar nicht so viele Chancen ausgerechnet“, sagt sie. Aber es klappte: Nach dem Realschulabschluss startete sie ihre Ausbildung zur Chemielaborantin. „Ich hatte eine ganz tolle Ausbilderin, die mir alles erklärt und mir viel Freiraum gelassen hat. Die Ausbildung war für mich eine sehr schöne Zeit.“ Vor der sie jedoch anfangs durchaus Respekt hatte. Am Fraunhofer-Institut konnte sie sich jeden Bereich ansehen: von der Elektro- bis zur Biochemie. „Und ich durfte überall mitarbeiten und selbstständig arbeiten.“ Eigentlich dauert die Ausbildung dreieinhalb Jahre, sie verkürzte auf drei Jahre. An der Berufsschule in Regensburg war sie immer eine der jüngsten, erzählt sie. Das war aber kein Nachteil. Vor knapp zwei Jahren schloss sie ihre Ausbildung ab. Über den Standort in Straubing sagt sie: „Es ist alles sehr persönlich hier. Ich bin hier einfach daheim.“ Sie befasst sich mit Monomerherstellung für Polyamide, kleine Bausteine, aus denen Kunststoffe gemacht werden können. „Das erste zu 100 Prozent biobasierte Polyamid kommt von uns“, sagt sie stolz über das Institut. Man sieht, an was man arbeitet. Es sei spannend, wenn aus Flüssigkeiten plötzlich Feststoffe werden, die man anfassen kann. Für das Foto hat sie sich etwas Besonderes überlegt: Eine wässrige, saure Lösung wird dank eines Indikators pink - „mit dem pH-Wert ändert sich die Farbe“, erklärt sie. Ein pinker Luftballon ergänzt das kleine Experiment: „Der Ballon steht für mich für Kreativität“, sagt Johanna Poiger und lächelt. Für den Spezialeffekt hält sie den Kolben mit der pinken Flüssigkeit in flüssigen Stickstoff - es dampft und blubbert. „Spannend, was die Naturwissenschaften so alles hergeben, oder?“, fragt sie.

Text und Foto: Sophie Schattenkirchner, Straubinger Tagblatt (08.03.2023)

Lis-20-03-2023